Die Opus 12 aus dem Hause Harry WinstonBASELWORLD 2012: Zwölf Zeiger hat die Zeit
Die Vorstellung der neuen Opus von Harry Winston wird auf der BASELWORLD stets mit großer Ungeduld erwartet. Dieses Jahr vielleicht noch etwas ungeduldiger als sonst, denn die neue Opus hat den Freunden komplexer Mechanik etwas ganz Besonderes zu bieten.
Die Opus 12 bricht mit den Regeln der konventionellen Uhrmacherei und präsentiert ein völlig ausgefallenes mechanisches Konzept. Der außergewöhnliche Zeitmesser stellt die Darstellung der Zeit buchstäblich auf den Kopf, indem er das kopernikanische Weltbild einer sich um die Sonne und gleichzeitig um die eigene Achse drehenden Erde thematisiert. Die verstreichende Zeit wird nicht durch zwei aus der Zifferblattmitte entspringende Zeiger visualisiert, sondern durch zwölf animierte Zeigerpaare, die vom Zifferblattrand in die Mitte weisen, quasi ins Zentrum der Zeit. Dort befindet sich ein kurzer retrograder Zeiger, der nach fünf Minuten in seine Ausgangsposition zurückspringt. Er ist mit der Minutenanzeige synchronisiert, die ihrerseits in Fünf-Minuten-Intervalle unterteilt ist.
Bei den meisten Uhren verstreicht die Zeit still und kontinuierlich, nahezu unbemerkt. Auf dem Zifferblatt der Opus 12 findet dagegen alle fünf Minuten ein aufwendig inszenierter "Wachwechsel" der Anzeige statt. Und zu jeder vollen Stunde kommt richtig Leben in die Anzeige, wenn alle Stundenzeiger nacheinander einmal kurz aufscheinen. Der retrograde Fünf-Minuten-Zeiger und der Zeiger der Gangreserveanzeige werden vom schwebenden transparenten Skalenring der Kleinen Sekunde teilweise überdeckt.
Zum Aufzug der beiden Federhäuser eines für das Uhrwerk und eines für die Zeitanzeige muss der Kronenaufzug entgegen der üblichen Drehrichtung bewegt werden. Dieser Richtungswechsel hat technische Gründe: Da die Krone besser zu greifen ist, wenn sie in der Mitte des Gehäuses sitzt, musste sie gegenüber der Aufzugswelle versetzt und ein Übertragungsrad zwischengeschaltet werden.
Die Opus 12 bricht auch mit den traditionellen Methoden der Uhrwerkveredelung und Finissage, indem sie auf klassische Anglierungen konsequent verzichtet. Dagegen werden die Brücken und Kloben durch perlgestrahlte Oberflächen betont, die dem Uhrwerk einen sehr modernen technischen Look verleihen. Die durch den Saphirglasboden sichtbaren Genfer Streifenschliffe sind auf spektakuläre Art neu interpretiert. Dennoch bleibt die Ästhetik dem Stil des Hauses Harry Winston treu. Die drei typischen Zierbögen erinnern an die Fassade des Harry-Winston-Stammhauses in New York und die durchbrochenen Zeiger an die Wolkenkratzer in Manhattan. Eine weitere Besonderheit der Opus 12 ist der Verzicht auf ein konventionelles Zifferblatt, so dass der Blick auf die Inszenierung der Zeitanzeige und der dazu verwendeten Technik fokussiert wird.
Die Opus 12 interpretiert die verstreichende Zeit auf neue Art und stellt eine echte uhrmacherische Innovation dar. Eine solche Uhr hat es noch nicht gegeben. Die Idee dazu stammt von Emmanuel Bouchet, der dieses bemerkenswerte mechanische Kunstwerk zusammen mit dem Designer Augustin Nussbaum und den Uhrmachern von Harry Winston realisierte.
Opus 12, ein überraschender Mechanismus
Die 12 um das Zifferblatt verteilten Pfeiler tragen jeweils einen langen Zeiger, der die verstreichende Zeit im Fünf-Minuten-Rhythmus anzeigt, sowie einen kurzen Zeiger zur Indikation der Stunde. Ersterer dreht sich mit dem Pfeiler um seine eigene Achse, während letzterer wie eine halbierte Hülse um den Pfeiler herumschwenkt oder sich dahinter verbirgt. Die Minutenzeiger verfügen über eine blaue Seite, die zur Zeitanzeige nach vorne gedreht wird, und zeigen ihre graue Seite, wenn der Zeiger nicht aktiv ist. Stunden- und Minutenzeiger werden von zwei um das Zifferblatt laufenden Zahnkränzen bewegt, die mit kleinen Zahnritzeln am äußeren Ende der Pfeiler im Eingriff stehen.
Der äußere der beiden Zahnkränze bewegt die Minutenzeiger und vollführt eine Umdrehung in der Stunde, und zwar in 12 Fünf-Minuten-Sprüngen. Dabei greift ein Zahnsegment in das Ritzel des nächsten Minutenzeigers ein und dreht seine blaue Seite nach vorne. Gleichzeitig dreht ein zweites Zahnsegment den eben verlassenen Minutenzeiger von blau auf grau.
Zu jeder vollen Stunde erwartet den Betrachter ein wahres Spektakel. Der innere Zahnkranz, der sich in den letzten 60 Minuten nicht bewegt hat, beginnt sich plötzlich im Uhrzeigersinn zu drehen. Seine beiden Zahnsegmente drehen nacheinander sämtliche blauen Stundenzeiger-Hülsen kurz nach vorne und wieder nach hinten, bis sich die Bewegung einmal wie eine Welle rund um das Zifferblatt fortgepflanzt hat. Das Schauspiel dauert einige Sekunden, bis schließlich der nächste Stundenzeiger aktiviert ist und Ruhe auf dem Zifferblatt einkehrt. Die Drehgeschwindigkeit des Zahnkranzes wird von einer Hemmung reguliert, die weit weniger Energie verbraucht als ein herkömmlicher Fliehkraftregler (Windfang) und gleichzeitig ein faszinierendes Geräusch entwickelt. Eine der Herausforderungen bei der Konstruktion der Opus 12 war in der Tat die Optimierung des Krafthaushalts für den gleichzeitigen Betrieb von Uhrwerk und Zeigerwerk.
Uhrwerk und Zeitanzeige werden von zwei voneinander unabhängigen Federhäusern mit Energie versorgt. Das Federhaus für die Zeitanzeige verfügt über ein Differenzial, das die Kraft zur Bewegung der beiden Zahnkränze in vom Uhrwerk exakt diktierten Intervallen bereitstellt. Die beiden Federhäuser werden gleichzeitig aufgezogen, und ihre Federn brauchen gleich viel Zeit ca. 45 Stunden , bis sie abgelaufen sind. Wenn die Kraft zur Bewegung der Zahnkränze nicht mehr ausreicht, wird das Uhrwerk angehalten. Jedes der beiden Federhäuser verfügt über einen Gleitzaum, damit nach Erreichen des Vollaufzugs keine weitere Kraft ins Werk eingeleitet wird. Die Gangreserve der beiden Federhäuser wird von einem Zeiger in der Zifferblattmitte angezeigt.
Unruh und Hemmung schwingen mit 18.000 A/h und lassen den Sekundenzeiger in Fünftelsekundenschritten vorrücken. Die insgesamt 27 Zeiger sowie die zu ihrem Antrieb notwendigen Zahnräder sind auf einem unglaublich komplexen Modul montiert. Der äußere Zahnkranz, der die 12 Fünf-Minuten-Zeiger befehligt, dreht sich um das Modul wie ein Rad um eine Nabe. Die Uhrmacher mussten daher einen Umweg finden, um die Bewegung der Aufzugskrone ins Innere des Werks zu übertragen. Sie verlegten die Aufzugswelle an den Boden des Gehäuses und setzten ein Zwischentrieb zur Übertragung ein, so dass die Krone sich wie gewohnt in der Mitte des Gehäuses befindet, sich jedoch verkehrt herum dreht. Die Zeigerverstellung funktioniert nur in eine Richtung: nach vorne.
Die Hauptanzeigen der Uhr sind also Stunden und Zwölftelstunden. Die fünf Minuten zwischen dem Umschalten von einem Zeiger auf den nächsten werden in der Mitte des Zifferblatts durch einen retrograden Zeiger indiziert.