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Mehr als Leidenschaft

Kollektion Métiers d’ArtPremiere auf dem SIHH 2010: La symbolique des laques von Vacheron Constantin

Es gibt niemanden bei Vacheron Constantin, der sich der Bedeutung der Leidenschaft für die Feine Uhrmacherei nicht bewusst wäre. Weil ohne Leidenschaft alles in Anspruchslosigkeit versänke. Mögen die Cabinotiers von einst auch längst verschwunden sein, ihr Geist weht noch immer durch die Flure und um die Werktische der Manufaktur. Mit jeder Handbewegung pflegen die Uhrmacher das handwerkliche Vermächtnis dieser Männer und halten die Erinnerung an sie lebendig.

Denn die Zeit hat ein Gedächtnis. Und so zählt zweifellos zu den herausragenden Qualitäten von Vacheron Constantin, dass man den Visionären und Virtuosen jener Zeit bis heute treu geblieben ist. Der Respekt vor ihren ethischen Grundsätzen und die Verpflichtung zur Exzellenz, die jeden Mitarbeiter beseelt, halten die Manufaktur in ihrem Innersten zusammen – seit 250 Jahren. Nach der zutiefst humanistisch geprägten Philosophie seiner Vorfahren zu leben ist ein Glück, das nur wenigen zuteil wird.

Das ehrliche Engagement der Manufaktur Vacheron Constantin für den Erhalt und die Pflege der uhrmacherischen Berufe – vor allem der Gewerke der „Métiers d’Art“, in denen die Fertigkeiten der dekorativen Künste in der Uhrenherstellung (Emailleur, Graveur, Guillocheur und Steinsetzer) zusammengefasst sind – kommt noch heute in ihren Zeitmessern zum Ausdruck, veritablen Kunstwerken, deren Fabrikationsgeheimnisse in den Ateliers einiger weniger Meister ihres Fachs überlebt haben.

Die Kollektion „Métiers d’Art“

Wenn echter Schöpfergeist die Hand führt, die ein Objekt erschafft, kann der Mensch jeder seiner Kreationen eine Seele verleihen.

Als Vacheron Constantin 2004 mit der limitierten Uhrenserie Hommage an die Großen Entdecker die Kollektion Métiers d’Art ins Leben rief, stellte die Manufaktur ihr ernsthaftes Interesse an der Bewahrung eines ihrer wichtigsten Grundwerte unter Beweis: Die Weitergabe der Handwerkstraditionen der künstlerischen Berufe in der Haute Horlogerie.

Für diese Kollektion haben Meisteruhrmacher und Meisteremailleure ihre Talente zusammengespannt, um alte und neue Techniken ihrer Berufe miteinander zu verbinden, jeder in seiner ureigenen Disziplin, virtuos und leidenschaftlich. So entstanden technisch und ästhetisch außergewöhnliche Uhren, deren patentgeschützte Uhrwerke eine faszinierende Art der Zeitanzeige boten und deren Zifferblätter durch die alte und komplizierte Kunst der „Grand Feu“-Emaillierung eine besondere Aufwertung erfahren hatten.
 
Nach demselben Prinzip entstanden die Uhren der Kollektion Métiers d’Art – Les Masques, die erstmals 2007 im Vierer-Set präsentiert wurden. Auch sie illustrieren trefflich die Verbindung verschiedener Talente und Fertigkeiten – diesmal die von Meisteruhrmachern und Meistergraveuren, die Hand in Hand zusammenarbeiteten bei der Realisierung der Zeitmesser, die verstanden werden wollen als Einladung zu einer Reise durch Zeit und Raum, auf der Suche nach den Wurzeln der Menschheit, illustriert an einer der schönsten Ausdrucksformen der menschlichen Seele.

Über 600 Jahre Geschichte

Die Manufaktur Vacheron Constantin, die 2005 in Genf ihr 250. Jubiläum beging, trifft auf die Tradition des Hauses Zôhiko, das 2011 in Kyoto seinen 350. Geburtstag feiert …

Die große positive Resonanz auf die Kollektion Métiers d’Art – Les Masques, einer glücklichen Kooperation von Vacheron Constantin mit dem Genfer Museum Barbier-Mueller, hat die Manufaktur in ihrer Haltung bestärkt, und heute ist man mehr denn je bestrebt, künstlerische und kulturelle Berufe mit der höchsten Uhrmacherkunst zu verschmelzen.

In dieser Kombination der Talente, in der technische und dekorative Virtuosität und Präzision zusammenwirken, kommen die Grundwerte von Vacheron Constantin besonders anschaulich zum Ausdruck : Das fortwährende Streben nach Exzellenz, die Förderung der Kreativität, die Weltoffenheit, der Respekt vor den Traditionen und die Pflege derselben, und schließlich das Teilen einer gemeinsamen Leidenschaft.

Mit der Vorstellung einer Métiers d’Art-Kollektion, bei der ein Teil der Produktion den heimischen Genfer Boden verlässt, um auf einem anderen Kontinent bearbeitet zu werden, eröffnet die Manufaktur der kunstvollen Verbindung von Uhrmacherei und Dekoration einen neuen Horizont. Und dieser Horizont spannt sich über fernöstliche Gestade: Hinter dem geheimnisvollen Begriff maki-e verbirgt sich die Vollendung der traditionellen japanischen Lackkunst.

Die Entstehung der Kollektion „Métiers d’Art – La symbolique des laques“

In den Schubladen der Kreativabteilung von Vacheron Constantin lagen die Pläne für eine Verquickung von Uhrmacherei und maki-e schon seit geraumer Zeit. Doch sie hatten über die Jahre Staub angesetzt, weil der zündende Funke fehlte, der sie zum Leben erweckte. Diesen Funken lieferte nun das Haus Zôhiko, wo man offenbar ganz ähnliche Pläne hegte: Nämlich die japanische Lackkunst mit der Uhrmacherkunst zusammenzubringen.

Dabei spielten die „Masken“ eine nicht unbedeutende Rolle: Die technische und künstlerische Kühnheit dieser Kollektion hatte im Herbst 2007 erst die Aufmerksamkeit des Hauses Zôhiko erregt und dann zur Kontaktaufnahme mit Vacheron Constantin ermutigt, um die Möglichkeit einer Kooperation zu erörtern.

Während bei einem Treffen oft der Zufall und das Glück mitspielen, bedarf es zum Aufbau einer echten Beziehung die Basis tiefer gegenseitiger Zuneigung und gemeinsamer Werte. Diese wurden schon bei der ersten Zusammenkunft der beiden Häuser deutlich, die offenbar denselben Respekt vor kulturellen, technischen und künstlerischen Traditionen empfinden. Vacheron Constantin steht in direkter Erbfolge einer seit 1755 ununterbrochenen Linie, und die Geschäftstradition von Zôhiko lässt sich sogar bis in das Jahr 1661 zurückverfolgen. Gemeinsam verfügen die beiden Häuser über 600 Jahre Erfahrung und Savoir-faire.

Doch vor allen Dingen ist die neue Kollektion ein menschliches Abenteuer, eine Reise ins Ungewisse, wo sich Kunstfertigkeit und Innovation auf höchstem Niveau begegnen. Die Zusammenarbeit der Handwerker einer der ältesten japanischen Lack-Werkstätten, Zôhiko, die seit ihrer Gründung im Jahre 1661 am selben Ort in Kyoto verblieben sind, und der Uhrmacher der ältesten ununterbrochen aktiven Uhrenmanufaktur der Welt, Vacheron Constantin, seit ihrer Gründung im Jahr 1755 in Genf ansässig, brachte einen einzigartigen Ausdruck gemeinsamer Grundwerte hervor: Die Kollektion Métiers d’Art – La symbolique des laques.

Drei Jahre, neun Motive, sechzig Sets

Ganz im Einklang mit dem Kodex der Kollektion Métiers d'Art wird sich die Edition der Serie Métiers d’Art – La symbolique des laques über drei Jahre erstrecken – jedes Jahr erscheint ein neues Dreier-Uhrenset in einer Schmuckschatulle, limitiert auf jeweils zwanzig Exemplare. Weltweit.
 
Jedes Set wird auf den Zifferblättern der Uhren drei miteinander verwandte Szenen aus dem reichen fernöstlichen Motivschatz tragen, realisiert in der traditionellen Technik des maki-e. Jedes Motiv, ob aus der Welt der Tiere, der Pflanzen oder der Gesteine, hat eine besondere Bedeutung und lässt sich mit einem anderen kombinieren. Göttliche oder heldenhafte Figuren werden gerne mit bestimmten Tieren in Verbindung gebracht, diese Tiere mit bestimmten Pflanzen und diese wiederum mit bestimmten Eigenschaften oder abstrakten Qualitäten. Häufig beziehen sich solche Motive auf Werke der Literatur, auf Gedichte oder Legenden.

Mit unvergleichlichem Fingerspitzengefühl hat Vacheron Constantin das extraflache Kaliber 1003 als Ausstattung für diese Uhrenserie ausgewählt. Dabei handelt es sich um eine skelettierte Version des Handaufzugswerks aus 14-karätigem Gold. Im Interesse der Harmonie und um die delikate Ausführung des maki-e nicht zu überstrahlen hat Vacheron Constantin das Uhrwerk mit Ruthenium beschichtet, was den hellen Glanz des Goldes etwas dämpft und der Uhr eine besonders elegante Note verleiht. Saphirgläser auf beiden Seiten erlauben bewundernde Blicke auf das außergewöhnliche Werkfinish – insbesondere der Anglierungen, auf die man in den Ateliers der Genfer Manufaktur besonders stolz ist.

Das runde Gehäuse der Uhr ist von bemerkenswerter Schlichtheit und befolgt in seiner kühlen, nüchternen Linienführung den Zen-Geist der Kollektion Métiers d’Art – La symbolique des laques.

Thema: Dauerhaftigkeit

Das erste Set ist dem Thema Dauerhaftigkeit gewidmet, illustriert in fernöstlicher Tradition mit den „drei Freunden des Winters“ – Saikan no sanyû – Kiefer, Bambus und Pflaumenbaum. Das klassische Trio aus der chinesischen Symbolik hat schon sehr früh Einzug gehalten in die japanische Kultur und ist hier heute ebenso populär wie in seiner alten Heimat. Aufgrund ihrer Unempfindlichkeit gegenüber Frost symbolisieren die „drei Freunde des Winters“ vor allem das Dauerhafte. Im übertragenen Sinn stehen sie aber auch für die Loyalität einer Freundschaft, die auch schwierige Zeiten übersteht.

Die Kiefer wird wegen ihres Alters und ihrer Kraft verehrt. Außerdem bewundert man sie dafür, dass sie selbst im Winter ihr grünes Nadelkleid behält. Der Bambus gilt als der perfekte Gentleman, gewandt und anpassungsfähig, aber stets seinem Ideal verpflichtet: Sobald der Sturm vorüber ist, richtet er sich wieder auf. Und der Pflaumenbaum wird besonders geschätzt, weil er mit seiner frühen Blüte das Ende des Winters ankündigt und ein für einen Obstbaum ungewöhnlich hohes Alter erreicht. In der chinesischen und japanischen Literatur ist der ideale Mensch  „stark wie eine Kiefer, widerstandsfähig wie ein Bambus und rein wie ein Pflaumenbaum.“

Jeder der drei „Freunde des Winters“ hat einen gefiederten Freund

So wird der alten Kiefer ein Kranich zur Seite gestellt, dessen weißes Gefieder die Weisheit des Alters symbolisiert. Der Bambus ist mit dem Sperling verbunden, dessen quirlige Aktivität die Vitalität und Erneuerungsfähigkeit der Bambuspflanze unterstreicht. Und im dritten Motiv wird der Pflaumenbaum zusammen mit der japanischen Nachtigall abgebildet, weil beide gemeinsam die Ankunft des Frühjahrs begrüßen – der Baum mit seiner frühen Blüte, der Vogel mit seinem Gesang.

Vacheron Constantin hat die drei Motivpaare in enger Zusammenarbeit mit dem Hause Zôhiko ausgewählt. Jede Uhr verfügt über zwei Zifferblätter aus Japanlack, die in der Tradition des maki-e verziert sind: Das obere Zifferblatt zeigt als Hauptmotiv den Baum, das dem Handgelenk zugewandte Zifferblatt an der Werkseite den Vogel. Auch hier folgt Vacheron Constantin einer alten japanischen Tradition in der Lackkunst, nach der die unsichtbaren Flächen eines Objekt – z.B. das Innere oder der Boden einer Lackdose – oft genau so reich verziert sind wie die sichtbaren.

Kiefer und Kranich - Matsu to tsuru 松と鶴

In Japan wird die Kiefer seit jeher für ihr Holz und ihren anmutig gewundenen Wuchs geschätzt. Nichtsdestoweniger zeugt ihre bedeutende Rolle in der Kunst und in der Literatur von Traditionen, die einst vom Festland nach Japan kamen. Diese Traditionen ranken sich hauptsächlich um das immergrüne Kleid des Baumes, das für Beharrlichkeit und Konstanz steht. In der chinesischen wie auch der japanischen Kunst gilt die Kiefer als „tugendhafte“ Pflanze, als Symbol für den Winter und das Neue Jahr ebenso wie für Langlebigkeit oder gar für Unsterblichkeit.

Auch der Kranich ist ein Symbol für Dauerhaftigkeit, Treue und edle Eleganz. Neben dem Phönix ist er eine der schillerndsten Lichtgestalten der Vogelwelt in der fernöstlichen Kultur. Zahlreich Mythen ranken sich um den Kranich. So soll er nicht nur unglaublich alt werden können, sondern sich nach Erreichen seines 600. Lebensjahres überdies nur noch von Wasser ernähren. Und wenn er erst 2000 Jahre alt ist, wird sein weißes Gefieder auf einen Schlag tiefschwarz. Außerdem gilt der Kranich im Taoismus als einer der fliegenden Botschafter der Unsterblichen. In Japan existiert neben der mythischen Verehrung des Kranichs auch noch eine ästhetische Dimension der Bewunderung für sein sein makelloses Federkleid. Die alljährliche Ankunft der Kraniche in ihrem Winterquartier wird von der japanische Bevölkerung freudig begrüßt – sie gelten als Vorboten des Wohlstands. Aus all’ den genannten Gründen genossen die Kraniche seit alters her kaiserlichen Schutz. Sie waren ausschließlich dem Vergnügen des Kaisers vorbehalten, und bis zum Beginn der Meiji-Restauration im Jahre 1868 war die Jagd auf Kraniche bei Strafe verboten.

Bambus und Sperling - Take to suzume 竹と雀

Im Taoismus sowie in etwas abgeschwächter Form auch im Buddhismus steht das Bambusrohr als Symbol für die Leere. Wie tao, der Weg, der im Nichts beginnt und im Nichts endet, ist auch das Herz des Bambusrohrs aus Nichts gemacht. Diese Leere, oder auch dieser Raum, ist zugleich Symbol für Toleranz und geistige Offenheit. Und die Biegsamkeit und Stabilität des Rohrs stehen für Integrität – oder die Eigenschaft, nachzugeben, ohne zu zerbrechen.

Auch wenn er nicht so alt wird wie die Kiefer gilt auch der Bambus als Zeichen für Langlebigkeit. In der Tat mag einem einzelnes Rohr kein besonders langes Leben beschieden sein, doch entspringt eine ganze Staude nicht selten einer einzelnen Sprosse. Und auch wenn ein Bambus nach seiner ersten Blüte stirbt, so erfolgt diese bei vielen Arten doch nur einmal in hundert Jahren, und das ist ein respektables Alter für eine Pflanze.

Bambusstauden erfreuen sich bei Sperlingen als Nistplätze besonderer Beliebtheit. Trotz seiner bisweilen hektischen und frechen Art gilt der Sperling oder Spatz in Japan als Symbol für Treue. Sein Gezwitscher – „tschu, tschu, tschu“ – klingt auf Japanisch wie „sei treu, treu, treu“. In Fabeln und Legenden wird er oft als pflichtbewusst und ehrenhaft dargestellt. Bambus und Sperling werden auch in der Malerei des Zen-Buddhismus oft gemeinsam abgebildet, wo der Bambus als Symbol für das Erwachen und die Abwendung von irdischen Gütern steht und der Sperling für Spontaneität und Lebensfreude.

Pflaumenbaum und Nachtigall - Ume to uguisu 梅と鴬

Der Pflaumenbaum ist vor allem für seine frühe Blüte, quasi mitten im Winter, bekannt und wird um seiner zarten blassrosa Blüten Willen geliebt. Sie verströmen ihren Duft, wenn es am kältesten ist, und wecken die Sehnsucht nach dem Frühling. Auch wenn weder die Blüten noch der Baum als solcher besonders eindrucksvoll erscheinen, hat der Pflaumenbaum doch einen derart frischen und liebreizenden Charakter, dass er in der Tristesse des Winters den Menschen zu erfreuen vermag. So symbolisiert der Pflaumenbaum innere Schönheit und  Bescheidenheit im Angesicht einer unfreundlichen Welt.

Die Assoziation des Pflaumenbaums mit der Nachtigall ist eine typisch japanische Geschichte. Beide sind Vorboten des Frühlings: Der Gesang der Nachtigall heißt auf Japanisch „erster Ton des Jahres“, hatsune 初音. Es gibt in der Poesie unzählige Beispiele für die Kombination Pflaumenbaum und Nachtigall. Oft ist auch Schnee im Spiel, weil die Pflaume bisweilen schon blüht, wenn die Landschaft rings herum noch in winterliches Weiß getaucht ist und die Blüten wie Schneeflocken wirken.

Was ist „maki-e“?

Maki-e 蒔絵 – das Wort bedeutet „gestreutes Bild“ und es steht für die am höchsten entwickelte Lackkunst, bei der das Motiv mit feinem Gold- oder Silberstaub auf die noch feuchte, meist schwarze Lackoberfläche aufgetragen wird.

China- oder Japanlack wird aus dem Saft des Lackbaums Rhus verniciflua gewonnen. Der giftige Färberbaum, mit dem er verwandt ist, stammt ursprünglich von den Hochebenen Tibets und Zentralasiens, doch der Lackbaum wächst heute nur noch in Südchina, in Korea, Vietnam und Japan, obwohl er einmal sehr viel weiter verbreitet gewesen sein dürfte. Im Japanischen macht man keinen Unterschied zwischen dem Baum und dem Material, das aus ihm gewonnen wird: urushi 漆. Das Schriftzeichen setzt sich zusammen aus den Zeichen für Baum, Wasser und Mensch und liefert damit eine recht exakte Beschreibung des Begriffs.

Die Lacktechniken variieren von Land zu Land und sind von der Lackqualität sowie der Bestimmung des lackierten Objekts abhängig. Man unterscheidet drei große Kategorien der Lackkunst: Gravur oder Ritzlack, Einlegearbeiten und maki-e.

Das Spektrum der Möglichkeiten ist schier unbegrenzt, und die japanische Erfindung des maki-e in seinen verschiedenen Varianten stelht in der Geschichte der Kunst für eine der bemerkenswertesten Verbindungen zwischen meisterhafter Technik und künstlerischem Ausdruck. Diese Verzierungstechnik entwickelte sich schon in der Frühzeit der japanischen Geschichte. Bereits zwischen dem 8. und 12. Jahrhundert unserer Zeitrechnung erreichte sie ihre künstlerische Reife und gilt seit dem 17. Jahrhundert bis heute als die vorherrschende Ornamentkunst. In China scheint sie entweder überhaupt nicht ausgeübt worden zu sein – oder sie ist sehr früh wieder verschwunden. Dabei stand diese Technik bei den Chinesen hoch im Kurs, wie zahlreiche Bestellungen vom Festland über die Jahrhunderte belegen. Der Erfolg des maki-e hat seinerseits die Entwicklung verschiedener verwandter Techniken begünstigt. Seit der Mitte des 10. Jahrhunderts hat maki-e andere Dekorationskünste weit überflügelt und wird wegen der Feinheit der Darstellung, die gleichzeitig präzise und weich erscheint, sowie der unglaublichen poetischen Kraft vorgezogen.

Eine der schönsten Eigenschaften des Japanlacks ist die Tatsache, dass er sowohl kostbare als auch profane Gegenstände schmücken kann. Schüsseln und Tafelgeschirr aus Lack haben die Jahrhunderte ebenso überlebt wie Behälter in den verschiedensten Formen und Größen, von der Dokumentenschatulle über Vorratsdosen für Tee und Weihrauch oder Pinselhalter und Tintenfässchen bis hin zu Kartenschachteln und Pillendöschen. Zwar gab es immer auch Möbel aus Japanlack, doch lag der Schwerpunkt stets auf der Gestaltung kleiner Gegenstände, wo die Delikatesse der Miniaturen besonders vorteilhaft zur Geltung kommt.

Das Haus Zôhiko

Im Jahr 1661 eröffnete Yasui Shichibei 安井七兵衛 (1632-1692) einen Laden, in dem er Lackwaren und chinesische Erzeugnisse verkaufte und den er „Elfenbein“ nannte, Zôgeya 象牙屋. Sein Nachfolger Kusunoki Jihei 楠治兵衛 (1659-1714) konzentrierte das Angebot auf feine Lackwaren. Der Laden blieb fünf Generationen in Familienbesitz, bevor ihn Produktionschef Nishimura Hikobei 西村彦兵衛 (1719-1773) übernahm, weil die Familie Kusunoki ohne männlichen Erben blieb. Kusunoki Jirôbei 楠治郎兵衛 (1723-1784) vertraute seinem einstigen Vorarbeiter aber nicht nur das Geschäft an, sondern auch die Pflege der Gräber seiner Familie, und löste das Problem der Erbfolge, indem er ein unzertrennliches Beziehungsband knüpfte. Seit damals und bis zum heutigen Tag wird das Haus Zôhiko von einem Mitglied der Familie Nishimura geführt, der den Vornamen des Gründers annimmt. Der aktuelle Geschäftsführer ist Nishimura Hikobei, der Neunte.

Hikobei der Dritte (1806-1875) wurde für die Exzellenz seiner Arbeit vom Kaiser zum „Meister des maki-e“ ernannt. Eines seiner bemerkenswertesten Stücke ist eine Bildtafel in maki-e-Technik, die den Bodhisattva Fugen auf einem weißen Elefanten darstellt. Der Legende nach war die Bevölkerung so angetan von diesem Bild, dass sie es die „Tafel von Zôhiko“ nannten. „Zô“ bedeutet Elefant, und „hiko“ steht für den Anfang des Namens „Hikobei“. So kam die Firma Zôhiko zu ihrem Namen.

Das Haus Zôhiko unterhält eine lange Verbindung mit dem japanischen Kaiserhof. Hikobei der Vierte (1806-1875) war Kaiserlicher Hoflieferant, und der aktuelle Zôhiko-Geschäftsführer hat sogar den Thron des regierenden Kaisers gestaltet. Die ersten Exporte der Werkstätten fielen zeitlich mit der Öffnung Japans am Ende des 19. Jahrhunderts im Anschluss an die Meiji-Restauration zusammen. Die Expansion der Firma Zôhiko ist das Verdienst Hikobeis des Achten (1887-1965). Er genießt uneingeschränkte Anerkennung als Pionier der industriellen Japanlack-Verarbeitung. Er gründete sogar eine maki-e-Schule, die für zahlreiche Lackkunst-Spezialisten zur Referenz wurde.

In der langen Geschichte des Hauses Zôhiko spiegelt sich eine unvergleichliche Tradition der Exzellenz, sowohl in der künstlerischen Kontinuität als in der sich ständig erneuernden Kreativität. Trotz der fast tausendjährigen Tradition gibt sich das Haus Zôhiko weltoffen. Der Austausch mit Vacheron Constantin führte zu einer Zusammenarbeit von außergewöhnlicher Intensität, deren Früchte in der Kollektion Métiers d’Art –La symbolique des laques zu finden sind.

Vacheron Constantin und Japan – eine sehr lange Geschichte

Die ersten geschäftlichen Kontakte von Vacheron Constantin nach Asien, insbesondere nach China, datiert der Uhrenhistoriker Alfred Chapuis in seinem 1919 erschienenen Referenzwerk Die chinesische Uhr auf die ersten Jahre des 19. Jahrhunderts. Am anderen Ende der bekannten Welt engagierte sich die Manufaktur auf den Märkten Südamerikas mit einer permanenten Niederlassung in Brasilien. In Russland belieferte man den Zarenhof, und 1847 begann man mit der Erschließung des indischen Subkontinents.

Zu dieser Zeit verschloss sich Japan noch immer hartnäckig gegen jeden Kontakt mit der Außenwelt. Zwischen dem Beginn des 18. und der Mitte des 19. Jahrhunderts riegelte die Militärregierung der Shogun das Reich von seinen Nachbarn und dem Rest der Welt ab. Erst 1854 wurden unter dem Druck der Amerikaner die ersten Handelsverträge mit westlichen Ländern geschlossen. Von da an ging alles sehr schnell. Die Kunde von der Öffnung Japans stieß auch in der Schweiz auf offene Ohren.

Im Jahr 1862 beschloss der Nationalrat die Entsendung einer Schweizer Delegation nach Japan und beauftragte „Herrn Vacheron, Uhrenfabrikant“ mit der Ausrichtung eines Vorbereitungstreffens. Am 6. Februar 1864 unterzeichnete die Schweiz ihren ersten offiziellen Vertrag mit Japan. Es handelte sich um ein Handelsabkommen, das Schweizer Bürgern die Niederlassung in den offenen Hafenstädten des Landes gestattete.

Schon zu dieser Zeit genoss Vacheron Constantin in Japan einen ausgezeichneten Ruf, denn 1867, im Jahr seiner Inthronisierung, hatte der japanische Kaiser Meiji bei einem Aufenthalt in Genf einen Besuchstermin in den Werkstätten der Manufaktur vereinbart, von dem ihn in letzter Minute nur eine persönliche Einladung der Familie Rothschild abhielt.

1884 schloss sich Japan dem internationalen System der Weltzeitzonen an, dem die Schweiz erst sechs Jahre später beitrat, Frankreich gar erst im Jahre 1911! Bis dato hatten die Japaner den Tag in je nach Jahreszeit ungleich lange Tag- und Nachtstunden unterteilt. Die japanischen Uhren – wadokei 和時計 – waren demnach völlig anders konstruiert als europäische Uhren. Die Umstellung auf das internationale Zeitsystem war demnach mehr als ein einfacher Verwaltungsakt, sondern ein wichtiger Teil der großen kulturellen Revolution, die Japan in die Neuzeit katapultieren sollte.


Der „japanische Stil“

1906 eröffnete Vacheron Constantin die erste Boutique auf der Rhône-Insel im Herzen der Stadt Genf. Schon sehr früh konnte man auf eine anspruchsvolle japanische Kundschaft zählen, die sich sowohl aus Durchreisenden als auch aus Bestellern aus Fernost rekrutierte.

Ab 1917 unterhielt Vacheron Constantin in Japan Repräsentanzen in den drei Städten Tokio, Yokohama und Kobe. Bei den ersten Uhrenlieferungen handelte es sich um Schiffschronometer. Schon zuvor hatte sich herausgestellt, dass die japanische Kundschaft einen recht eigenwilligen Geschmack pflegte, der sich zu einem veritablen ästhetischen Kodex entwickelte, dem „japanischen Stil“. Darunter verstand man flache, schlichte und elegante Uhren, bevorzugt in den Farben Weiß und Silber.

Um die Jahrhundertwende stand in Europa alles Japanische hoch im Kurs, und auf den großen Weltausstellungen machte japanische Kunst Furore. Ferdinand Verger und seine Nachkommen, bis 1939 die Pariser Repräsentanten von Vacheron Constantin, erwiesen sich kreative Genies, die die allgemeine Popularität japanischer Motive geschickt aufgriffen. Sie schufen zahlreiche „japanisch“ inspirierte Armbanduhren, von denen manche in klassischer Emaillearbeit den Glanz des edlen Japanlacks nachbildeten und einige wenige sogar in echter Lackkunst gestaltet waren. Diese seltenen Exemplare befinden sich heute in der Privatsammlung des Hauses Vacheron Constantin.

1953 besuchte seine Kaiserliche Hoheit, Prinz Akihito, der aktuelle japanische Kaiser, die Manufaktur Vacheron Constantin und die historische Boutique auf der Genfer Stadtinsel, selbstverständlich nicht ohne sich in das Goldene Buch des Hauses einzutragen.

Die Geschichte des Japanlacks : Das Geheimnis eines kostbaren Saftes

„Der Baum, von dem der echte Japanlack gewonnen wird, heißt urushi. Der Baum produziert ein weißliches Sekret, mit den die Japaner ihre Möbel, ihre hölzernen Schüsseln und Teller bestreichen, wie sie alle Menschen jeden Tag benutzen, vom Landmann bis zum Kaiser. Selbst bei Hofe zieht man lackiertes Geschirr dem güldenen oder silbernen vor.“
Engelbert Kaempfer, Deutscher Arzt und Japanreisender

Dieser kurze Abschnitt fasst das Wesentliche des Japanlacks zusammen. Der Begriff „Lack“ beschreibt zwar das Material, wird mitunter aber auch als Kurzform für Lackobjekte benutzt. Man unterscheidet heute drei Arten von Lack: den echten Lack, Schellack sowie Lackfirnisse.

Der echte Lack ist der Saft eines Baumes, der nur im Fernen Osten wächst. Beim Schellack handelt sich um ein Harz, das aus den Exkrementen von Lackschildläusen gewonnen wird, die in Indien und in Südostasien vorkommen. Die beiden Lackarten unterscheiden sich in der Färbung, aber hauptsächlich in ihrer Widerstandsfähigkeit und Festigkeit.

Unter dem Begriff „Lackfirnisse“ werden alle europäischen Entsprechungen zum China- oder Japanlack zusammengefasst. Diese können pflanzlichen, tierischen oder sogar synthetischen Ursprungs sein und sich in der Qualität stark unterscheiden. Unter die Firnisse fallen unter anderem Holzanstriche, wie sie zum Beispiel der berühmte Geigenbauer Stradivari verwendete, aber auch sehr viel profanere Lackierungen. Keine kann sich mit der einzigartigen Qualität des echten Lacks messen.

Die Lackkunst: Verwurzelt im Fernen Osten

In China und Japan lässt sich die Verwendung von Lack bis in die Jungsteinzeit zurückverfolgen. Anhand von Ausgrabungen kann man sich die frühesten Beispiele auf das sechste Jahrtausend vor Christus datieren. Zu dieser Zeit  wurden sowohl Gegenstände des täglichen Lebens als auch kultische Objekte lackiert. Zur Färbung des Lacks fanden zwei Pigmente Verwendung, Zinnober für ein kräftiges Rot und Holzkohlenruß für ein tiefes Schwarz. Schon sehr früh wurde Lack nicht nur als Schutzüberzug eingesetzt, sondern diente auch der Verschönerung.

China und Japan entwickelten die Lackkunst schnell zu bemerkenswerter Reife. Während zunächst China die Vorreiterrolle in der Herausbildung einer künstlerischen Tradition einnahm, holten die japanischen Meister rasch auf, und seit dem ersten Jahrtausend unserer Zeitrechnung stehen die beiden Kulturen in ständigem Dialog und pflegen einen regen Austausch. So entwickelte sich in Japan die faszinierende Technik des maki-e, die wir auch in der Kollektion Métiers d’Art – La symbolique des laques wiederfinden.

Die Geschichte des Japanlacks

Im fünften und sechsten Jahrhundert stand Japan unter starkem chinesischem Einfluss. Dieser betraf sämtliche Bereiche des öffentlichen Lebens, und so fielen auch die Techniken der Chinalack-Verarbeitung, die während dieser Periode auf dem Festland sehr viel weiter entwickelt war, in Japan auf fruchtbaren Boden. Die Bedeutung der Lackverarbeitung für die japanische Wirtschaft wird an einem Eintrag im Taihô-Kodex (japanische Gesetzsammlung) aus dem Jahr 701 offenbar. Dort wird die Einrichtung einer dem Finanzamt unterstellten Lack-Behörde Nuribe no tsukasa 漆部司 beschlossen, die die Aristokraten dazu verpflichten soll, auf ihren Grundstücken Lackbäume anzupflanzen und einen Teil ihrer Abgaben künftig in Lackobjekten zu leisten. Solche Objekte wurden seinerzeit in erster Linie für den Kaiserhof, aber auch für die zahlreichen Tempel des Landes hergestellt, und die Nachfrage stieg ständig.

Während dieser Epoche wurde Lack in Japan streng nach chinesischem Vorbild verarbeitet, und es ist daher nicht immer leicht, solche Objekte zuzuordnen. Doch die Grundzüge einer eigenen Technik sind bereits erkennbar, zum Beispiel in der Vielfalt von Lackobjekten in der Sammlung des Shoso-in-Schreins im Todaiji-Tempel in Nara. Dieser Kunstschatz stammt aus dem 8. Jahrhundert und gilt als ältestes Museum der Welt. Sieben verschiedene Lacktechniken lassen sich anhand der Shoso-in-Exponate identifizieren, was die Bedeutung der Lackkunst in der japanischen Frühgeschichte belegt. Bei den meisten später verwendeten Lacktechniken handelt es sich um Variationen dieser frühen Methoden.

Das Goldene Zeitalter der Lackkunst - Gegen Ende des 8. Jahrhunderts besann sich Japan auf seine eigenen Werte und der Einfluss vom Festland ging auf geradezu dramatische Weise zurück. In der Kunst setzte sich eine neue japanische Ästhetik durch, geprägt von beispielloser stilistischer Anmut und höchster handwerklicher Qualität. Diese Entwicklung spiegelt sich in perfekter Weise in der Lackkunst, und so gilt die Periode zwischen dem ausgehenden 8. und dem 12. Jahrhundert als „Goldenes Zeitalter“.

Die Porzellanherstellung steckte noch in den Kinderschuhen, und die meisten Gebrauchsgegenstände sowie Möbelstücke waren aus Holz gefertigt, das ein idealer Untergrund für die Beschichtung mit Lack ist. In dieser Periode entstand die raffinierte Technik des maki-e, die in ihrer filigranen Delikatesse wie geschaffen war für die von Poesie und den Bildenden Künsten durchdrungene Epoche aristokratischer Hochkultur.

Lack, Tee und Zen - Um das 13. Jahrhundert kam der Zen-Buddhismus nach Japan und mit ihm der Tee. Dieser wurde zunächst nur von den Mönchen zubereitet und als Heilmittel verwendet, doch entwickelte sich daraus bald die Teezeremonie, die bei den Mitgliedern der aristokratischen Kriegerklasse hoch im Kurs stand. Fast alle Utensilien zur Aufbewahrung oder Zubereitung des Tees waren mit Lack überzogen: Tee- und Weihrauchdosen, Teller, Bambuslöffel usw. Ihre fließenden Formen und raffinierten Dekore harmonierten perfekt mit der manierierten Ästhetik der Teezeremonie.

Die Lackkunst und die westliche Welt - Die ersten Kontakte Japans mit der westlichen Welt fanden in der Mitte des 16. Jahrhunderts statt. Spanische und portugiesische Jesuiten brachten den Japanern Geschenke, unter anderem auch Uhren aus europäischer Produktion. Aus ihren Einführungskursen in die Uhrentechnik gingen die ersten japanischen Uhrmacher hervor, die bald eigene Uhren konstruierten, die wadokei 和時計, die nach dem chinesischen und japanischen Kalender die Tage in ungleich lange Stunden unterteilen. Dieselben Jesuiten brachten auch die ersten japanischen Lackwaren in den Westen, wo sie von der europäischen Aristokratie mit hellem Entzücken aufgenommen wurden. In der Folge entstand eine regelrechte Exportwirtschaft mit japanischen Erzeugnissen, die speziell auf den europäischen Geschmack abgestimmt waren. Ganze Boudoirs und Salons wurden mit japanischen Lackmöbeln eingerichtet. Eine der bekanntesten Sammlungen von Lackwaren gehörte Königin Marie-Antoinette (1755-1793), die sie ihrerseits von ihrer Mutter Maria-Theresia von Österreich (1717-1780) geerbt hatte. Trotz der ebenfalls zunehmenden Importe aus China galt das Interesse der Kenner in erster Linie den Lackwaren aus Japan. Im 17. und 18. Jahrhundert assoziierte man „Japan“ mit Lackkunst, während „China“ für Porzellan stand – im englischen Sprachraum übrigens noch heute.

Wie Zôhiko entstand

Zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert erfuhr die Lackkunst eine Demokratisierung. Während Lackobjekte zuvor ausschließlich den Mitgliedern der höchsten Gesellschaftsschichten vorbehalten gewesen waren, konnten sich nun auch Normalsterbliche diesen Luxus leisten. In diesem Umfeld eröffnete Yasui Shichibei im Jahr 1661 ein Ladengeschäft, das später unter dem Namen Zôhiko bekannt werden sollte. Gleichzeitig kamen kleinere Lackdöschen in Mode, deren wertvolle Gestaltung den sozialen und finanziellen Status ihres Besitzers demonstrierten. Diese Objekte waren so klein, dass man sie zum Beispiel am Gürtel tragen konnte – daher auch ihr japanischer Name sagemono, „aufgehängte Dinge“. Besonders beliebt waren Pillendöschen und Siegelbehälter, inrô 印籠, sowie Pfeifenetuis, die allesamt zu Projektionsflächen der Lackkunst in ihrer höchster Perfektion wurden.

1868, nach mehr als zwei Jahrhunderten der Zurückgezogenheit und der extrem eingeschränkten Kontaktpflege mit dem Ausland, begann sich Japan wieder der Welt und vor allem dem Westen zu öffnen. Die daraufhin einsetzende Welle der Modernisierung und Industrialisierung entwickelte eine solche Dynamik, dass ihr beinahe das traditionelle Handwerk zum Opfer gefallen wären. Paradoxerweise war es die Begeisterung ausländischer Kunden, die vielen Handwerkskünsten – darunter die Lackverarbeitung – zunächst das Überleben sicherte und schließlich sogar eine echte Renaissance bescherte.

Was versteht man unter „echtem Lack“?

Lack wird aus dem Saft des Lackbaums Rhus verniciflua gewonnen. Der giftige Färberbaum, mit dem er verwandt ist, stammt ursprünglich von den Hochebenen Tibets und Zentralasiens, doch der Lackbaum wächst heute nur noch in Südchina, in Korea, Vietnam und Japan, obwohl er einmal sehr viel weiter verbreitet gewesen sein dürfte. Im Japanischen macht man keinen Unterschied zwischen dem Baum und dem Material, das aus ihm gewonnen wird: urushi 漆. Das Schriftzeichen setzt sich zusammen aus den Zeichen für Baum, Wasser und Mensch und liefert eine recht exakte Beschreibung des Begriffs.

Gewinnung - Ein Baum muss an die zehn Jahre alt sein, bevor man ihn zur Lackgewinnung anzapfen kann. Hierzu werden in den Stamm fünf bis zehn waagerechte parallele Kerben geritzt, aus denen ein hellgrauer, dickflüssiger Wundsaft rinnt. Ein Baum kann mehrmals im Jahr angezapft werden, sondert aber insgesamt nicht mehr als einige Zehntel Liter Lacksaft ab. Die so gewonnenen Flüssigkeit hat in etwa die Konsistenz von Latex. Die Qualität des Saftes hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter das Alter des Baumes, aber auch das Klima, die Bodenbeschaffenheit oder die Jahreszeit der Gewinnung. Diese erfolgt meist im Frühjahr und Sommer, wobei die beste Qualität im Juli und August aus der Mitte des Stammes gewonnen wird. Dieser Saft wird getrennt vom Rest aufbewahrt und für die hoch glänzenden Decklagen der Lackobjekte verwendet. Die einfacheren Qualitäten dienen dagegen eher zur Grundierung.

Eigenschaften - Lack besitzt ungewöhnliche chemische Eigenschaften, die ihm besondere Einsatzgebiete erschließen. So härtet das Material nur in einer feuchten Umgebung aus. In seiner Reinform kann Lack nur in hauchdünnen Schichten von etwa 0,03 bis 0,05 Millimeter Stärke verarbeitet werden, sonst bleibt er unter einer harten Oberfläche flüssig. Im getrockneten Zustand durchdringt und versiegelt Lack die porösen Oberflächen von Holz, Bambus, Papier oder Stoff und macht sie unempfindlich gegen Feuchtigkeit, Salz und Hitze und außerdem undurchlässig für Flüssigkeiten – inklusive Alkohol und Säuren. Lackgefäße sind daher besonders für die Aufbewahrung, den Transport und das Servieren von Nahrungsmitteln und Getränken geeignet. Lack ist aber auch ein hervorragender Klebstoff, mit dem sich unterschiedliche Materialien verbinden lassen. So benutzt man ihn auch zur Reparatur von Keramik. Das Wundermaterial hat nur eine Achillesferse: Licht. Wenn man lackierte Oberflächen zu starker Lichteinwirkung aussetzt, bleichen und trocknen sie aus und zersetzen sich.

Widerstandsfähigkeit, Härte und Dauerhaftigkeit einer Lackarbeit hängen in erster Linie von der Anzahl der aufgetragenen Schichten ab. Diese kann von einigen Zehn bis zu einigen Hundert betragen und sich auf bis zu 0,8 bis 1 Millimeter Gesamtdicke summieren. Qualitativ hochwertiger Lack kann hundert oder zweihundert Jahre alt werden. Zum Vergleich: Die Oberfläche eines Ölgemäldes bildet schon nach zehn Jahren erste Risse, und selbst moderne chemische Lacke behalten ihren Glanz höchstens zwanzig oder dreißig Jahre.

Die Chemie des Lacks - Das Aushärten des Lacks ist ein Oxidationsprozess, der nichts mit einer normalen Trocknung oder Verdampfung gemein hat. In seiner Reinform besteht Lack aus ölartigen Urushiolen und dem Enzym Laccase. Unter Sauerstoffeinfluss wirkt Laccase auf die Oxidation der Urushiol-Moleküle wie ein Katalysator und bewirkt die dauerhafte Aushärtung des eigentlich flüssigen Lacks.

In flüssigem Rohzustand ist Lack giftig und kann starke Hautreizungen verursachen, auch wenn manche Menschen offenbar immun sind. Der Baumsaft besteht aus 20% Wasser, 2% Laccase, 4% Gummi und 80% Urushiole. Je höher der Urushiolanteil, desto besser die Aushärtung. Die Härte des Lacks ist sein wichtigstes Qualitätsmerkmal.

Japanischer Lack profitiert vom hohen Urushiolanteil im Sekret der heimischen Lackbäume. In der Tat enthält japanischer Rohlack 70-80% Urushiole und 7% Gummi, während der Saft chinesischer, vietnamesischer oder thailändischer Lackbäume um die 50% Urushiol- und bis zu 20% Gummi-Anteile aufweist.

Vorbereitung - Der vom Baum gezapfte Saft wird in einem Holzfass gelagert. Vor der Verarbeitung wird er durch ein Leintuch gestrichen, um Fremdkörper und Schwebstoffe herauszufiltern. Danach kommt der Lacksaft für zwölf bis 24 Stunden in einen Trockenraum (muro „Zimmer“ oder urushiburo „Lackbad“), wo bei konstanter Temperatur (20-25 °C) und Luftfeuchtigkeit (75-85%) das im Lacksaft enthaltene Wasser verdunstet. Die staubfreien Trockenräume werden auch zum Aushärten der frisch aufgetragenen Lackschichten vor der Weiterverarbeitung genutzt.

Trägermaterialien - Lack lässt sich auf die verschiedensten Materialien wie Textilien, Bambus, Leder, Keramik oder Metall auftragen. Die Rüstungen und Helme der Samurai-Krieger waren zum Beispiel oft lackiert. Aber das typische Trägermaterial für Lack war zu allen Zeiten Holz, idealerweise ein regelmäßig gemasertes Holz, das sich entsprechend fein bearbeiten ließ. Ulmenholz, keyaki 欅, kann so fein geschliffen werden, dass Licht hindurch scheint. Neben der Ulme bieten sich auch die Hölzer der Zeder, sugi 杉, der japanischen Zypresse, hinoki 檜, der Paulownie, kiri 桐, oder der Magnolie, hônoki 朴, an. Voraussetzung für den Lackauftrag ist die saubere Vorbereitung der Oberfläche, bei der jeder Riss, jede Unebenheit sorgfältig geglättet sein muss. Diese Vorarbeiten vergeben Lackkünstler gemeinhin nach draußen, das heißt bei Holzobjekten arbeiten sie mit Kunstschreinern, Drechslern oder Furnierspezialisten zusammen.

Sobald die Oberflächen vorbereitet sind, kann das Objekt mit den ersten Lackaufträgen grundiert werden. Jede Lackschicht muss ganz durchtrocknen und anschließend fein geschliffen werden, bevor die nächste Schicht aufgetragen werden kann. Die ersten Schichten sind die dicksten, die nachfolgenden werden immer dünner. Auch die Körnung der Schleifmittel wird zur Oberfläche hin immer feiner. Und erst wenn diese schützende Lackbeschichtung abgeschlossen ist, beginnt der künstlerische Teil der Lackarbeit.

Techniken - Die Lacktechniken variieren von Land zu Land und sind von der Lackqualität sowie der Bestimmung des lackierten Objekts abhängig. Allein bei den ungefähr 150 Lackobjekten aus dem 8. Jahrhundert im Shosho-in-Museum in Nara kann man sieben Lacktechniken unterscheiden. Doch die drei repräsentativsten Techniken der Lackverarbeitung sind Gravur oder Ritzlack, Einlegearbeiten sowie maki-e.


Drucken 29.03.2024

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