Jaeger-LeCoultre - die Superlative: Gyrotourbillon I
Zwei Genies im Dienst der Präzision
Beide Männer waren genial, jeder auf seine Weise. Und wären sie sich irgendwann begegnet, hätte die Verbindung ihrer genialen Geister zweifellos noch großartigere Erfindungen hervorgebracht, als sie jeder für sich ersann. Doch Abraham-Louis Breguet, der ältere der beiden, lebte im mondänen Paris, während Antoine LeCoultre seinen Ideen in einem abgeschiedenen Tal im Schweizer Jura, dem Vallée de Joux, Gestalt verlieh.
Davon abgesehen hatten die beiden viel gemeinsam: So waren sie beide Schweizer, der eine Waadtländer, der andere Neuenburger. Außerdem hatten sich beide ohne Wenn und Aber dem kostbarsten Gut des Menschen verschrieben: der Zeit. Da erstaunt es nicht, daß Präzision für sie ein entscheidender Wert war. Und schließlich teilten sie einen Erfindungsgeist, der nie um Einfälle verlegen war.
Wären sie Zeitgenossen gewesen, hätte sich Abraham-Louis Breguet zweifellos für eine geniale Erfindung von Antoine LeCoultre begeistert: das Millionometer. Dieses auf den Tausendstelmillimeter genaue Meßgerät hätte ihm zweifellos erlaubt, seine wohl revolutionärste Kreation noch exakter auszuführen. Doch als Breguet 1801 sein Tourbillon in der Seinemetropole zum Patent anmeldete, stand das Mikron noch in den Sternen. Erst ab 1844 eröffnete es der Uhrmacherei neue Dimensionen der Präzision.
Bei der Entwicklung seines «Wirbelwinds» oder Tourbillons hatte Abraham-Louis Breguet zunächst einmal daran gedacht, daß Taschenuhren überwiegend senkrecht getragen werden. Und in dieser Position wirkt die Erdanziehungskraft besonders negativ auf das Schwingverhalten von Unruh und Unruhspirale ein, wenn deren Schwerpunkt nicht exakt im Zentrum der Unruhwelle liegt. Ferner war sich Breguet bewußt, daß alle Mühen um einwandfreie Balance stets nur von begrenzter Dauer sein würden. Irgendwann stellten sich die unliebsamen Schwerpunktfehler beinahe zwangsläufig wieder ein. Weil sie sich also nicht dauerhaft eliminieren ließen, trachtete Breguet nach Ausgleich. Zur Kompensation montierte er Unruh, Unruhspirale und Hemmung in einem feinen Metallgestell, das sich einmal pro Minute um die eigene Achse drehte. Auf diese Weise rotierten besagte Fehler kontinuierlich im Kreis. Mit anderen Worten: In senkrechter Lage der Taschenuhr hoben sich beschleunigende und bremsende Momente gegenseitig weitgehend auf. Eilte das Werk in der ersten Minutenhälfte vor, blieb es in der zweiten um den gleichen Wert zurück. Das Gangverhalten erlangte so die gewünschte Konstanz. Die waagrechte Lage des Zeitmessers konnte Breguet übrigens getrost vergessen, denn in dieser Position ist der Einfluß der Schwerkraft vernachlässigbar.
Das Geschilderte darf indessen nicht zu dem bei Laien weitverbreiteten Trugschluß führen, daß Tourbillons die nötige Sorgfalt bei der Konstruktion und Regulierung von Taschenuhren überflüssig machten. Ganz im Gegenteil: Die Anfertigung feiner Drehgestelle blieb immer nur den begabtesten und kunstfertigsten Uhrmachern vorbehalten, weil die kniffligen Arbeiten höchstes handwerkliches Geschick verlangten und verlangen. Darüber hinaus kommt es hier in allem und jedem auf Millimeterbruchteile an. Tourbillons dulden nur minimale Toleranzen, weil der ganze konstruktive Aufwand sonst vergebens ist.
Hier nun schlug die Stunde von Antoine LeCoultre. Sein 1844 vorgestelltes Millionometer verkörperte auf dem Gebiet höchster uhrmacherischer Handwerkskunst das, was der Tourbillonmechanismus von Breguet für die Genauigkeit der Zeitmessung bedeutete. Zeitgeschichte schrieb in diesem Zusammenhang das legendäre Kaliber Jaeger-LeCoultre 170 mit dreiarmigem Tourbillon, Durchmesser 22,40 mm. In den 1940er Jahren fertigte die Manufaktur davon die für Tourbillons überaus beachtliche Zahl von 27 Exemplaren an. Wie damals in der Schweizer Uhrenbranche üblich, trugen einige davon auf Zifferblatt und Werk berühmte Markennamen, während sich der eigentliche Hersteller im Hintergrund hielt. Diskretion war und ist bekanntlich Ehrensache.
Jaeger-LeCoultre: An der Quelle der Komplikationen
Bei aller Komplexität ist das Kaliber Jaeger-LeCoultre 177 der neuen Gyrotourbillon I nur ein Glied in einer langen Kette uhrmacherischer Komplikationen, für die die Manufaktur aus Le Sentier seit weit mehr als hundert Jahren steht. Das begann etwa 1870 mit dezent klingenden Uhrwerken, welche die Zeit auf Wunsch akustisch minutengenau wiedergaben. Sie setzte sich fort mit Chronographen, deren innovatives, beliebig einschaltbares Schaltwerk durch zahlreiche Patente geschützt war. 1890 sorgte das Grande-Complication-Kaliber 19/20 RMCS mit Minutenrepetition, ewigem Kalender und Chronograph für Aufsehen. Und 1938 stellte Jaeger-LeCoultre mit dem rückspringenden Kalender eine weitere Pionierleistung vor. Das Formkaliber 11 U verfügte über ein immerwährendes Vollkalendarium mit retrogradem, also am Monatsende zurückspringendem Datumzeiger. Den Reigen rundeten Achttagewerke mit Weckerfunktion sowie durchdachte Weltzeitmechanismen ab. Mit anderen Worten: Es gibt so gut wie keine Komplikation für tragbare Uhren, die nicht mit dem Namen Jaeger-LeCoultre in Verbindung gebracht werden könnte.
Schließlich darf das Thema Miniaturisierung in diesem Zusammenhang keinesfalls in Vergessenheit geraten, das von der Manufaktur nie vernachlässigt wurde: Je kleiner und flacher, desto aufwendiger wird die Herstellung eines Uhrwerks. Jeder Millimeterbruchteil weniger läßt den Schwierigkeitsgrad exponentiell ansteigen. Und besonders auf diesem Gebiet kann LeCoultre seit 1903 eine breite Palette herausragender Spitzenleistungen vorweisen: das weltweit flachste Taschenuhrwerk, 1,38 mm hoch; das weltweit kleinste mechanische Uhrwerk, 14x4,8x3,4 mm, 98 Einzelteile, Gewicht einschließlich Zifferblatt weniger als ein Gramm; das flachste Handaufzugswerk für Armbanduhren, nur 1,64 mm hoch; oder die flachste, auch im Alltagsbetrieb einwandfrei funktionierende Automatikuhr mit Zentralrotor, Höhe gerade mal 2,45 Millimeter. In all diesen Uhrwerken zeigt sich die Kunst, vor Extremen nicht zurückzuschrecken, sondern sie bravourös zu meistern.
Tourbillons fürs Handgelenk
Obwohl Taschen- und Armbanduhren grundsätzlich die gleiche Funktion ausüben, nämlich die Zeit unabhängig von ihrer Lage und Position anzuzeigen, besteht zwischen beiden ein beträchtlicher Unterschied: Während erstere meist senkrecht und vor allem behutsam in der Westentasche getragen werden, müssen die fürs Handgelenk bestimmten Zeitmesser im Laufe des Tages einiges über sich ergehen lassen. Ständig wechselnde Lagen, oftmals heftige Bewegungen und auch Stöße fordern dem Mechanismus einiges an Belastbarkeit ab.
Daher waren viele Uhrmacher beim Erscheinen der ersten Armbanduhren überzeugt, diese Mode werde bald wieder von der Bildfläche verschwinden, dafür würden schon die heftigen Erschütterungen am Handgelenk sorgen. Ein renommierter Uhrenfabrikant formulierte das damals so: «Wir waren gewohnt, eine Präzisionsuhr als ein delikates Objekt zu betrachten. Man steckte seinen Chronometer mit Sorgfalt in die Westentasche, und man zog ihn mit nicht weniger Respekt heraus, um die Zeit abzulesen und um seine Freunde, Verwandten und Bekannten dieses Meisterwerk der Mechanik bewundern zu lassen.»
Doch aller Widerstand half nichts. Zug um Zug gerieten Taschenuhren ins Abseits, dominierten Armbanduhren das zeitbewahrende Geschehen. Und damit hatte sich das Thema Tourbillon im Grunde genommen ein für allemal erledigt. Am Handgelenk konnten die wirbelnden Mechanismen ihre Wirkung naturgemäß nur sehr begrenzt entfalten. Allein bei Chronometerwettbewerben der 1940er und 1950er Jahre sorgten einige wenige Exemplare für Aufsehen.
Die bislang einzigartige Ära des Armbanduhr mit Tourbillon begann 1986, ausgelöst durch die beispiellose Renaissance der mechanischen Zeitmessung und beflügelt durch bedeutende technische Fortschritte in der computergesteuerten Metallbearbeitung sowie durch den Einsatz neuartiger Materialien. Jaeger-LeCoultre brillierte 1993 mit der Reverso Tourbillon Kaliber 828 in einer von Sammlern mittlerweile teuer bezahlten limitierten Serie von 500 Exemplaren. Damals zu kurz Gekommene mußten nicht lange darben: Die in gleichem Umfang limitierte Reverso Platinum Number Two mit dem massivgoldenen Tourbillon-Kaliber 848 kompensierte den Schmerz ebenso wie dessen Drehgestell die Einflüsse der Schwerkraft. Ein Manko – die Techniker und Uhrmacher von Jaeger-LeCoultre geben es unumwunden zu – vermochte freilich auch diese vollendete Reverso nicht zu beseitigen: Die Tatsache, daß der seit mehr als 200 Jahren überlieferte Wirbelwind am Handgelenk nur begrenzte Dienste leisten kann. Deshalb haben sie in den folgenden Jahren nicht nur intensiv weitergeforscht, sondern auch entsprechend konsequent gehandelt. Das Resultat ihres kreativen Schaffens ist eine absolute Weltpremiere, eine uhrmacherische Komplikation, die in der mehr als sieben Jahrhunderte währenden Geschichte der mechanischen Zeitmessung unerreichbar schien. Die erstmalige Realisation eines sphärischen Tourbillons konnte verständlicherweise nur einer Manufaktur gelingen, die neben beständiger Innovationskraft und umfassender technischer Kompetenz eine vertikale, sprich hausinterne Produktion von mehr als neunzig Prozent vorzuweisen hat: Jaeger- LeCoultre.
Die bemerkenswerteste uhrmacherische Leistung des Jahres 2004
Kein Zweifel: Genies vom Schlage eines Abraham-Louis Breguet oder eines Antoine LeCoultre gibt es auch heute noch. Menschen, für die Grenzen in erster Linie dazu da sind, sie mit legitimen, aber ungemein einfallsreichen Methoden zu überwinden. Menschen, die in ihrem Beruf genau an dem Ort ebenso weit gehen wie Antoine LeCoultre und seine Nachkommen, die hier in Le Sentier in schöner Regelmäßigkeit Bahnbrechendes leisteten. Pioniere, die dem seit Generationen als «Tal der Tüftler» bekannten Vallée der Joux alle Ehre machen. Uhrenkonstrukteure und Uhrmacher, die den Umgang mit Tradition und Moderne virtuos beherrschen, um Meisterleistungen wie ihre neueste Kreation zu verwirklichen, die Gyrotourbillon I mit ihrem sphärischen Tourbillon.
Dieses filigrane Kunstwerk tritt an, sämtliche konstruktionsbedingten Unzulänglichkeiten herkömmlicher Drehgestell-Kompensationsmechanismen aus der Welt zu schaffen. Diese ergeben sich daraus, daß die Position des Tourbillons fest mit jener des Uhrwerks gekoppelt ist. Beim neuen Kaliber 177 von Jaeger- LeCoultre hingegen stehen die dreidimensionalen Unruh-Rotationen im Zentrum einer außergewöhnlichen uhrmacherischen Erfindung. Sechzig Sekunden benötigt der ultraleichte äußere Käfig für eine Umdrehung. Das innenliegende Gestell mit Unruh, Unruhspirale und Hemmung rotiert weitaus schneller, und zwar innerhalb von 24 Sekunden, was 2,5 Umdrehungen pro Minute entspricht. Natürlich haben sich die Uhrmacher bei der Wahl dieser auf den ersten Blick kuriosen Drehzahl etwas gedacht. Sie ist nämlich verantwortlich dafür, daß die goldene Unruh jede Minute einmal in ganzer Schönheit am Auge des Betrachters vorbeiziehen kann. Danach taumelt sie wieder scheinbar schwerelos, aber auf exakt vorausberechneten Bahnen durch den extrem leichtgewichtigen Mikrokosmos des Gyrotourbillons. Gerade einmal ein Drittel Gramm bringen alle 90 Komponenten des komplexen Drehkörpers auf die Waage. Ohne die Verwendung von Aluminium für das kugelförmige äußere Drehgestell und Titan sowie ebenfalls Aluminium für das innere Gestell wäre dieser Diminutiv unerreichbar geblieben. Dank des niedrigen spezifischen Gewichts von Aluminium wiegt der mit modernster Fünf-Achsen- Technologie gefertigte Außenkorpus nur 0,035 Gramm. Das gleiche Teil aus Stahl brächte hingegen 0,11 Gramm auf die Waage. Was, wie Aluminium, wegen seiner optimalen Dichte-Gewicht-Relation, seiner Stabilität und Korrosionsfestigkeit für Flugzeuge oder Hochleistungsmotoren taugt, kann bei Tourbillons nicht fehl am Platz sein. Zumal Aluminium für die Uhrmacher von Jaeger-LeCoultre kein grundsätzlich neues Material darstellt. Innovationsfreudig wie immer, experimentierten sie bereits in den 1940er Jahren mit komplett aus Aluminium gefertigten Rohwerken. Nur bei der Unruh haben die Techniker nicht an Gewicht gespart. Mit ihren verstellbaren Massescheiben ist sie aus 14karätigem Gold gefertigt, was für ein besonderes hohes, dem gleichförmigen Schwingverhalten ungemein dienliches Trägheitsmoment sorgt.
Zur Funktion des Ganzen an dieser Stelle nur soviel: Das Kaliber 177 verfügt über zwei in Serie geschaltete Federhäuser. Um die Reibungsverluste zu reduzieren, bestehen deren Deckel und Boden erstmals aus Saphirglas. Die dadurch sichtbaren Energiebündel sorgen für eine Gangautonomie von 8 Tagen.
Ein am Außenkörper des Tourbillons befestigter Stahltrieb greift in das schräg verzahnte Kleinbodenrad des Uhrwerks ein. Er versetzt das vielschichtige Ensemble in eine rechtsdrehende Kreisbewegung. Um Bauhöhe zu sparen, haben die Uhrmacher von Jaeger-LeCoultre den Käfig um etwa 37 Grad nach unten geneigt. Dieser kleine Kunstgriff bringt zudem deutlich bessere Einblicke mit sich. Auf dem ersten, im gleichen Winkel geneigten und schräg verzahnten festen Rad läuft ein Zahnrad, welches das mit ihm verbundene innere Drehgestell um 360 Grad rotieren läßt. Was nun noch fehlt, ist die unabdingbare Verbindung zum Schwing- und Hemmungssystem. Diese erfolgt über ein zweites, gleichfalls schräg verzahntes festes Rad innerhalb der Alukugel und den Ankerrad-Trieb.
Durch die Drehbewegung des inneren Gestells wird das Ankerrad zwangsläufig in Rotationen versetzt. Der Anker reicht die Kraft an die Unruh und ihre Spirale mit Breguetkrümmung weiter und läßt sie mit 21 600 Halbschwingungen pro Stunde schwingen. In umgekehrter Richtung sorgt die Hemmung, wie ihr Name unmißverständlich zum Ausdruck bringt, dafür, daß das Räderwerk nur in kleinen, fein dosierten, mittels Stunden- und Minutenzeiger darstellbaren Schritten abläuft. Selbst auf die Anzeige der Sekunden müssen die Besitzer des sphärischen Tourbillons nicht verzichten. Die Funktion des Sekundenzeigers übernimmt ein kleiner, eigens zu diesem Zweck vorhandener Dornindex am äußeren Drehgestell. Die Feinregulierung des Schwingsystems kann übrigens im eingebauten Zustand vorgenommen werden. Zu diesem Zweck verändern die Uhrmacher das Trägheitsmoment der Unruh mit Hilfe der am Unruhreif befestigten exzentrischen Massescheiben. An spezielles Werkzeug dafür haben die geistigen Väter der Gyrotourbillon I selbstverständlich auch gedacht.
Für den Fall des Falles sind insgesamt sechs Stoßsicherungen vorhanden. Zwei in den Lagern des Alukäfigs, zwei für das innere Drehgestell aus Titan und Aluminium sowie zwei für die empfindlichen Zapfen der Unruhwelle.
Damit das manuelle Aufziehen angesichts der üppigen Gangautonomie ja nicht in Vergessenheit gerät, besitzt das Kaliber 177 rechts auf dem Zifferblatt, neben dem Gyrotourbillon, eine unübersehbare Gangreserveanzeige. Am Ende ihres Lateins waren die Uhrmacher damit bei den Anzeigen freilich noch lange nicht. Neben Stunde und Minute zeigt das Uhrwerk mit seinem ewigen Kalender auch das Datum und den Monat sowie die Schaltjahre an, dies dank vier rückstellenden Zeigern, ebenso wie eine laufende Zeitgleichung. Doch das neue Uhrwerk hält noch weitere Überraschungen in petto.
Perfektion im Detail: Der ewige Kalender mit springender retrograder Anzeige
Sie besitzt seit je viele Gesichter, die kostbare, weil unwiederbringliche Zeit. Und das gilt auch für die nicht minder kostbaren Instrumente, welche sie mit sanftem Ticken messen. Das häufigste Mittel, um diese Zeit darzustellen, sind Zeiger. Durch ihr unablässiges Rotieren auf dem Zifferblatt symbolisieren sie den ewigen Kreislauf des Kommens und Gehens, und ihre Stellung zueinander signalisiert, wie spät es gerade ist. Das gewährleistet in nahezu allen Situationen die bestmögliche Ablesbarkeit. Nicht zuletzt deshalb hält Jaeger-LeCoultre allen modischen Entwicklungen zum Trotz auch bei der Gyrotourbillon I an der klassischen analogen Anzeige mit Stunden- und Minutenzeiger fest.
Neben der Uhrzeit spielt das Datum heute eine tragende Rolle. Deshalb durfte diese Anzeige unter keinen Umständen fehlen. Doch mit einem üblichen Fensterdatum mochten sich die Köpfe hinter dieser durch und durch ungewöhnlichen Armbanduhr nicht begnügen. Allein schon deshalb, weil der Zifferblattausschnitt, durch den die Zahlen im Laufe eines Monats wandern, aus technischen Gründen relativ klein ausgefallen wäre. Also kam auch hier eine kreative Zeigerlösung zum Zug. Keine normale, sondern eine mit gleich zwei retrograden, sprich zurückspringenden Zeigern. Diese Aufgabenteilung kommt keineswegs von ungefähr. Der optimalen Ablesbarkeit wegen erstreckt sich die Datumskala mit kunstvollem Schwung von links nach rechts über das gesamte Zifferblatt. Diesen weiten Bogen vermag ein einziger Datumzeiger wegen der Zeitachse in der oberen Zifferblatthälfte allerdings nicht zu schlagen.
Ergo ist ein Zeiger für die erste Monatshälfte zuständig, der andere für die zweite. Während der linke seiner Arbeit nachgeht, verharrt die Spitze des anderen in der rechten Warteposition. Die Übergabe der Staffel erfolgt am 16. des Monats. Zu diesem Zeitpunkt sind beide Zeiger präsent. Danach begibt sich der linke in Wartestellung, und sein Pendant springt pünktlich mitternachts um jeweils eine Position weiter. Weil die kleinen und großen Sprünge eine Menge Kraft kosten, entnimmt der Mechanismus dem Uhrwerk im Laufe eines Tages kontinuierlich etwas Energie. Sie wird in Federn gespeichert und am Ende des Tages in geballter Form freigesetzt. Auf diese Weise erfahren die Schwingungen der Unruh sowie die dynamischen Bewegungen des Tourbillons durch das ausgeklügelte Kalenderwerk keinerlei Beeinträchtigung.
Das Kaliber Jaeger-LeCoultre 177 berücksichtigt selbstverständlich auch die unterschiedliche Länge der Monate im Jahreslauf.
Es lebe der kleine Unterschied: Anzeige der wahren und mittleren Sonnenzeit
Auf die scheinbar simple Frage «Was ist die Zeit?» antwortete ein anderes Genie der Menschheit nicht minder einfach. Weil die Zeit kein absoluter, sondern nur ein relativer Begriff sei, könne sie schlichtweg nur das sein, was man von der Uhr abliest. Für seine kühne Behauptung lieferte Albert Einstein, einer der größten Geistesakrobaten überhaupt, gleich eine ganze Reihe gedanklicher Experimente, vor deren Tragweite Normalsterbliche in der Regel passen müssen. Doch selbst bei dem, was Uhren darstellen, gibt es kleine, aber keineswegs marginale Unterschiede. Bekanntlich basiert das System unserer Zeitmessung auf den Rotationen von Mutter Erde um die Sonne. Eine ganze Umdrehung ist ein sogenannter Sonnentag, den die Menschheit in Stunden, Minuten und Sekunden unterteilt hat. So weit, so gut. Einen Schönheitsfehler besitzt die Angelegenheit indessen schon:
Die Erde bewegt sich auf elliptischer Bahn um die Sonne, und zudem weist die Erdachse eine Neigung auf. Deshalb ändert sich die Länge des Sonnentags beständig. Nur wenig, aber dennoch meßbar. Der zeitliche Unterschied zwischen dem kürzesten und dem längsten Sonnentag eines Jahres beträgt exakt 30 Minuten und 45 Sekunden. Und das ist schlichtweg zu viel, um ein von der Zeit bestimmtes Alltagsleben gestalten zu können. Den Ausweg aus der Misere brachte die Einführung der mittleren Sonnenzeit, welche die durchschnittliche Länge eines Tages mit 86 400 Sekunden beziehungsweise 1440 Minuten oder 24 gleich langen Stunden definiert. Sie und nichts anderes stellen die Zeiger gebräuchlicher Uhren dar.
Die gleichwohl vorhandene, aber im allgemeinen vernachlässigte Differenz zur wahren Sonnenzeit wird «Zeitgleichung» oder «Äquation» genannt. Sie weist – übers Jahr betrachtet – eine mathematisch exakt nachvollziehbare Gesetzmäßigkeit auf:
Am 11. und 12. Februar (+14 Minuten und 24 Sekunden) sowie am 3. November (–16 Minuten und 21 Sekunden) erreicht die Zeitgleichung ihre Abweichungs- Maxima. Viermal jährlich (jeweils am 15. April, 13. Juni, 1. September und 25. Dezember) stimmt die Länge des wahren mit der des mittleren Sonnentags überein.
Während die wahre Sonnenzeit im bürgerlichen Alltagsleben so gut wie keine Rolle spielt, sind beispielsweise Astronomen durchaus auf das angewiesen, was im Kosmos in punkto Zeit tatsächlich passiert. Deshalb gab es bereits im späten 17.
Jahrhundert komplizierte Uhren, die neben der mittleren auch die wahre Sonnenzeit anzeigten. Sie verfügten über eine nierenförmige Nockenscheibe, welche sich einmal jährlich um ihre Achse drehte. Ihre Gestalt ergab sich aus der akribischen Berechnung der Differenz zwischen wahrer und mittlerer Sonnenzeit. Ein durchdachter Mechanismus tastete die Zeitgleichung am Umfang dieser Scheibe ab und übertrug den jeweiligen Wert auf einen Zeiger.
Selbst bei dieser ungemein komplexen Materie kennt die Uhrmacherei zwei grundsätzlich verschiedene Anzeigesysteme. Das eine stellt den aktuellen Wert der Äquation auf einer Skala dar, die von –17 bis +15 Minuten reicht. Um zu wissen, was es wahrhaftig geschlagen hat, ist also doch ein bißchen Kopfrechnen angesagt. Das wollte Jaeger-LeCoultre den Besitzern der Gyrotourbillon I nicht antun. Hier wandert der Äquationszeiger, dessen Spitze ein kleiner Stern ziert, ganz einfach mit. Zeitweise vor dem normalen Minutenzeiger, dann wieder hinterher und viermal jährlich quasi Hand in Hand. Gekoppelt mit dem ewigen Kalender und deswegen ganz in Übereinstimmung mit den astronomischen Gegebenheiten. Somit reicht ein Blick, um beispielsweise festzustellen, daß es gemäß mittlerer Sonnenzeit oder GMT 10 Minuten nach 10 Uhr, in Tat und Wahrheit jedoch 20 nach ist. Auf Wunsch stellt Jaeger-LeCoultre übrigens die Zeitgleichung auf den vom Besitzer der Uhr gewünschten Standort ein. Eine Plakette mit dem Namen dieses Orts wird auf dem Uhrwerk eingraviert, die durch das rückseitige Saphirglas sichtbar ist.
Ein einzigartiges Design
Man sieht: Alles an diesem Zeitmesser zeugt also vom Streben nach Vollkommenheit. Während in der feinen Uhrmacherkunst ein jedes schon festzustehen, alles schon einmal erreicht, erfunden und gemacht schien, suchte Jaeger-LeCoultre sich davon abzuheben.
Nach dem Vorbild der Uhrenkonstrukteure, die besondere Werkstoffe nutzten, um das kugelige Drehgestell des Tourbillon zu fertigen, setzten die Designer Glas ein, um den oberen Teil des Zifferblatts zur Geltung zu bringen. Indem es den Blick auf das feststehende Zeitgleichungsrad freigibt und die neuartige halbkreisförmige Datumanzeige offenbart, sorgt es für ein spielerisches, avantgardistisches Element.
Der untere Teil des Zifferblatts ist schlicht gestaltet, um die Schönheit des Tourbillonmechanismus hervorzuheben. Die Anzeigen (immerwährende Monatsund Gangreserveanzeige) sind bewußt diskret gestaltet, und die filigranen Brücken machen sich schlank, um den freien Durchblick auf die Unruh und Hemmung im Herzen des sphärischen Tourbillons nicht zu behindern. Erstmals kann ein Tourbillon in diesem geneigten Winkel bewundert werden. Und das Schauspiel geht auf der Rückseite weiter, wo der Saphirboden die rückspringende Anzeige der Schaltjahre enthüllt.
Einige Worte zum Schluß
Der geradezu geniale Zeitmesser Gyrotourbillon I von Jaeger-LeCoultre verkörpert technische und künstlerische Höchstleistung. Die in Kleinstauflage gefertigte Platin- Armbanduhr illustriert die Perfektion der Uhreningenieurskunst und das Savoir-faire unvergleichlicher Meisteruhrmacher.
Jedes Exemplar dieses Meisterwerks der Uhrmacherkunst wird von A bis Z von einem einzigen Uhrmacher zusammengebaut, um vollkommenste Meisterschaft zu gewährleisten und dem Zeitmesser einen einzigartigen Genius zu verleihen. Dessen muß sich der Uhrenliebhaber, der diese außergewöhnliche Tourbillonuhr an seinem Handgelenk tragen möchte, bewußt sein. Er wird die unablässigen dreidimensionalen Rotationen des filigranen Drehkäfigs mit um so größerem Entzücken verfolgen.
Nachdem Vorzügliches wie immer selten ist, wird es insgesamt lediglich 75 Gyrotourbillon I geben. Und weil es selbst zu Beginn des 21. Jahrhunderts seine Zeit dauert, bis derartige Meisterwerke geschaffen und so perfekt wie nur möglich eingestellt und endbearbeitet sind, beschränkt sich die Jahresproduktion bei Jaeger-LeCoultre auf maximal 20 Exemplare zum Preis von je 390 000 CHF inkl. MWST.
Gyrotourbillon I: technische Spezifikationen
Uhrwerk:
• Durchmesser: 36,3 mm • Höhe: 10,85 mm • Komponenten: 659 • Steine: 117 • Federhäuser: zwei mit Saphirglasdeckeln • Gangreserve: 8 Tage
Sphärisches Tourbillon:
• Unruh: monometallisch, mit exentrischen, verstellbaren Massescheiben auf dem Reif, vollständig aus 14 Karat Gold • Spirale: Qualität Nivarox I, freischwingend, mit Breguet- Krümmung • Unruhfrequenz: 21 600 Halbschwingungen pro Stunde (3 Hz) • Durchmesser: 13,86 mm • Gewicht: 0,336 Gramm • Komponenten: 90 • Rotationen: Äußeres Drehgestell aus Aluminium: 1x in 60 Sekunden, inneres Drehgestell aus Aluminium und Titan: 1x in 24 Sekunden (2,5x pro Minute) • Stoßsicherungen: 6
Ziferblatt:
• 18 Karat Gold
Anzeigen:
• Stunde, Minute und Sekunde • Gangreserve • Mitlaufende Zeitgleichung (wahre Sonnenzeit) • Ewiger Kalender mit: • Datumanzeige mit zwei rückspringenden Zeigern (vom 1. bis 16. bzw. vom 16. bis 28., 29., 30. oder 31. des Monats), • rückspringender Monatsanzeige und • rückspringender Schaltjahranzeige auf der Rückseite der Uhr
Gehäuse:
• Platin 950 mit Saphirglasboden • Durchmesser 43 mm • Höhe 14,9 mm, Saphiruhrglas inbegriffen
Armband:
• Handgenähtes Alligatorleder mit Faltschließe aus Platin 950