Lebendig, modern und spannendWiedereröffnung des Technischen Museums der Pforzheimer Schmuck- und Uhrenindustrie
Es lebt, es riecht nach Öl, und Metall, und die Maschinen machen Lärm! Dieses Museum ist anders, als die anderen: Hier wird die Vergangenheit lebendig, hier erleben Besucher, wie Schmuckstücke hergestellt werden, wie Metall geschmolzen und bearbeitet wird und wie komplexe Rohwerke, Zifferblätter oder Gehäuse für Uhren gebaut werden.
Ob Sandguss, Galvanik oder Walzen: Zur Schmuckherstellung waren und sind viele Verfahren notwendig, die heute fast in Vergessenheit geraten sind. Doch im Technischen Museum der Pforzheimer Schmuck- und Uhrenindustrie bleiben sie lebendig. Hier können Besucher vom Entwurf bis zur Produktion alle Arbeitsschritte verfolgen und an Original-Maschinen traditionelle Fertigungstechniken bestaunen.
Den Charakter des alten Fabrikgebäudes, eines der schönsten in der Stadt, behält »das Technische«. Denn die Fassade des imposanten Kollmar&Jourdan-Hauses, einer ehemaligen Schmuckfirma, hat ihren ursprünglichen Charme bewahrt. Innen erwarten die Besucher umgestaltete Räumlichkeiten, modern angeordnete Rundgänge mit Vertiefungsstationen, erklärende Texte und – nach wie vor – ein Ort der lebendigen Begegnung, in dem der Praxisbezug an den Maschinen vorgeführt wird.
Wie das Museum entstand
1979 wurde auf Initiative des Pforzheimer Kulturbürgermeisters Fritz Wurster ein Förderverein »Technisches Museum« gegründet. Hintergrund dafür war die Schließung vieler Schmuckfirmen Ende der 1970er Jahre und die Frage, was mit deren Produktionsmaschinen geschehen sollte. Der Förderverein wollte sowohl Maschinen als auch Werkzeuge bewahren, damit der Prozess der Schmuck- und Uhrenherstellung für die Zukunft nachvollziehbar bleibt. Engagierte Bürger mit Kenntnissen in diesen Bereichen halfen mit, und so eröffnete 1983 im Kollmar&Jourdan-Haus, einem der prägnantesten Schmuckhäuser Pforzheims, das Technische Museum.
Über zwei Stockwerke konnte hier der gesamte Produktionsablauf in seinen verschiedenen Arbeitsschritten vorgeführt werden. Ehrenamtliche Helfer bedienten die Maschinen und ließen das Museum lebendig werden. Seit 1984 kümmert sich die Stadt Pforzheim um Finanzierung und Erhaltung dieses Kulturgutes, das nun ein knappes Jahr geschlossen blieb, um umgestaltet zu werden.
Was neu wird | Großes Publikumsfest am 8. und 9. April
Am 8. und 9. April wird das Technische Museum mit einem großen Publikumsfest und tollem Rahmenprogramm wieder eröffnet. Kurz zuvor, am 6. April, findet ein Festakt mit Oberbürgermeister Gert Hager statt, bei dem die Kuratorin an der Schirn Kunsthalle Frankfurt Katharina Dohm einen Festvortrag zu »Kunstmaschine — Maschinenkunst« hält.
In der neuen Konzeption können sich Besucher auch alleine durchs Haus bewegen und anhand verständlicher Texte die Idee und Technik hinter den komplexen Maschinen verstehen.
Kontinuität und Wandel werden schon im Eingangsbereich erläutert: wie verzahnt die Uhren- und Schmuckproduktion mit Pforzheim ist und wie sich diese im Laufe der Jahre gewandelt hat bis hin zur Feinmechanik und Metalllegierung.
»Das ›lebendige‹ Museum ist ein faszinierendes Konzept. Die Maschinen werden von Fachleuten aus der Branche vorgeführt. So kann man als Besucher miterleben, wie die einzelnen Fertigungsschritte funktionieren und direkt Fragen stellen. In dem umgestalteten Museum gibt es neuerdings einen, wie ich es gerne nenne, ›Nukleus‹-Raum, in dem wir zeigen, was sich aus der Schmuck- und Uhrenbranche heraus an Industrien und Institutionen in der Region entwickelt hat«, erläutert Arnd Nicolas Bentner, Vorsitzender des Fördervereins des Technisches Museums.
Die Anordnung der Maschinen hat sich kaum verändert, sie wurde allerdings ergänzt um Stationen mit zusätzlichem Text-Bild Material und Filmen. Die unterschiedlichen Techniken sind so angeordnet, wie die Produktion verläuft, somit wird der gesamte »Lebenszyklus« eines Schmuckstücks gezeigt vom Entwurf bis zum Verkauf. Auch die Produktionswege sind nachvollziehbar: Eine Brosche, die geprägt wird, ein Ring der gegossen wird, eine Dose, die emailliert wird, all das wird im jeweiligen Prozessablauf gezeigt.
Im oberen Stock geht es um mechanische Uhrwerke. Nach wie vor gibt es in Pforzheim spezialisierte Hersteller, darunter Stowa, Laco und Aristo. An der Längsseite stehen Produktionsmaschinen, gegenüber wird das Uhrwerk montiert und geprüft.
»Der Charakter einer alten Fabrik bleibt auf beiden Stockwerken erhalten. Hier im ›Technischen‹ ist nichts gestriegelt und geschniegelt, vielmehr passen sich die Möbel und Einrichtungsgegenstände der Patina an, sie reagieren auf den gebrauchten Stahl. Selbst der Boden weist Risse auf, es ist kein white cube, sondern ein lebendiges Museum, ein Haus, dem man seine Geschichte ansieht«, erläutert Cornelie Holzach, Leiterin des Technischen Museums.
Die aktive Beteiligung der Besucher ist erwünscht. Im Bereich der Uhren liegen Karten aus, und hier soll das Wissen der Bürger mit einfließen. Wer will, kann seine Kenntnisse aufschreiben. »Es ist ein Museum ›in progress‹. Wir erhoffen uns weitere Informationen zu Uhrwerken und haben dafür noch Fläche freigehalten. Wir sind also in dreifacher Hinsicht ein lebendiges Museum: mit den Personen, die unsere Maschinen erklären und vorführen, mit dem Haus, das atmet, und durch das Miteinbeziehen der Besucher«, meint Holzach.